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გილოცავთ ახალ წელს საქართველო.

Autorenbild: ReginaRegina

 Gutes neues Jahr Georgien.

 

Es ist der 7. Januar und die Orthodoxe Kirche feiert Weihnachten.

Auf dem Tisch in unserem Wohnzimmer steht ein Tschitschilaki. Nein, es handelt sich nicht um eine neue Sorte georgischen Schnapses. Das ist ein Weihnachtsbaum.

 

Aus einem Stück Haselnussholz geschnitzt, eher geraffelt, ähnelt er dem dauergewellten Haar einer Blondine.

Neben der kirchlichen Bedeutung sehen die Georgier Tschitschilaki als einen ökologischen Beitrag für die Natur. Im Dezember und Januar werden die Haselnussstauden zurückgeschnitten. Somit handelt sich um ein recyceltes Produkt.

 

Glück und Fruchtbarkeit soll der Tschitschilaki bringen und viele Georgier nehmen ihn zur Weihnachtsmesse mit. Eine weitere Bedeutung ist es, die negativen Ereignisse des vergangenen Jahres, Krankheiten und Unglück an den Tschitschilaki zu binden.

Die Georgier schmücken das bis zu einem Meter hohe Bäumchen mit Girlanden, und Weihnachtsschmuck, doch unter dem Tschitschilaki liegen keine Geschenke. Die Georgier schenken sich «nur» viel gemeinsame Zeit. Mit ihren Familien und Freunden gehen sie zur Messe und zu Hause geniessen sie den Supra – das Festmahl.

 

Am 19.1. werden die Tschitschilaki feierlich verbrannt. Mit diesem Ritual schreitet die Familie in das neue Jahr.

 

Unseren Tschitschilaki hat Zaza, einer der Helfer, geschmückt und auf einem Teller

Früchte, Süssigkeiten und ein paar Münzen arrangiert. Verbrennen werden wir den Tschitschilaki auch. Ich freue mich auf das Erlebnis. Die Bräuche Georgiens berühren mich jedes Mal aufs Neue.

 

In unserem Wuschelkopf aus Haselnuss verbergen sich keine Krankheiten, Probleme oder Schwierigkeiten des letzten Jahres. Bis auf ein paar tote Hühner, kleine Wunden, die Fahrzeug- oder Baustellenpannen – etwas Schwerwiegendes kommt mir beim besten Willen nicht in den Sinn. Wie dankbar bin ich!

 

Es war ein gutes Jahr.

 

Im Alltag gefangen, war uns nicht bewusst, was wir wieder geleistet haben! Erst bei Betrachtung einer Zusammenfassung der Vorher-Nachher-Bilder und durch die Rückmeldungen unserer Freunde haben wir es realisiert.

Ohne gross zu überlegen, haben wir den Bau mit der Hofversorgung verknüpft, den Wein gekeltert und die ersten Gäste bewirtet.

Zugegeben, wir beide sind «baumüde» geworden. Nun ist es ruhiger um uns herum.

Wir versuchen, uns wieder an die Zweisamkeit zu gewöhnen. Genau nachgezählt waren wir seit April bis Neujahr volle fünf Tage zu zweit alleine im Haus.

Es war echt viel los bei uns!

 

Wie habt ihr es geschafft? Ihr seid so weit weg! Diese Fragen hören wir oft.

Na, wie denn?

 

Mit ein paar georgischen Sprichwörtern versuche ich es zu erklären.

 

«Geduld ist der Schlüssel zum Paradies»

Geduld und Anpassungsfähigkeit ist in Georgien ein Muss.

Alles funktioniert sehr langsam und bedacht, bis auf die Dynamik der Sprache und den Fahrstil.

 

«Was qualmt, muss nicht sofort gelöscht werden, oder?»

Eine georgische Freundin klärte uns auf, dass das beliebte «ori zuti» - in zwei Minuten, nicht bedeutet, dass sich der Angesprochene dir nach zwei Minuten widmen wird.

Er will von dir gar nichts wissen!

Gehe anderswohin!

Eleganter als die Georgier kann dich niemand zum Teufel schicken.

Darauf muss man aber auch erst einmal kommen!

 

Geduld mit Arbeitern, Lieferanten, jonglieren mit der Zeit, mit den Möglichkeiten und Prioritäten. Geduld, wenn das Wasser fliesst, wo es dicht sein sollte und Geduld, wenn du das Wasser hingegen brauchst, und es kommt kein Tropfen heraus!

Geduld, wenn das Pferd beim Spaziergang freudig im Gebüsch verschwindet. Früher, oder später ruft sowieso jemand an: «Eure Chuchuna ist im Kulturzentrum-Park.»

Oder sonst wo.

Geduld, wenn du fünf Geschäfte wegen vier Schrauben aufsuchen musst. Das erste hat noch drei Stück, die im anderen Laden sind zu kurz, im dritten zu lang und der vierte bekommt sie am nächsten Tag geliefert.

 

Unser Freund David aus Tschechien, welcher uns zwei Monate unterstützte und gröbere Patzer georgischer Handwerker korrigiert hat, schüttelte nur den Kopf.

Wie habt ihr es so lange ausgehalten!

 

Während Chvitscha – unser «Baumeister» ein Auge schliesst, sich an die Wand lehnt und

bestätigt: «Ja, ist gerade!», benutzt David das Lasermessgerät und schreit beinahe beim Betrachten der Menge von Verputzmaterial, welches bei den Leuten hier am Boden landete…

Auch er hat das Wichtige gelernt: Die Geduld nicht zu verlieren.

 

Wenn es wieder einmal stark windet oder regnet, braucht man eine Menge davon, denn dann wird der Strom abgestellt…

 

«Die Weihnachtsgeschichte 2023»

Am 22. Dezember vormittags wurde die Stromversorgung in Marani unterbrochen. Keine Meldung via SMS, wie üblich. Nichts angekommen. Die Wasserpumpe, der Umluftventilator beim Kamin, die Beleuchtung, die Kühlschränke – das alles blieb für die nächsten fünf Tage aus. Die Temperaturen draussen sanken zum Gefrierpunkt. Der erste Schnee fiel, Matsch und Dreck breitet sich am Hof aus. Untröstlich.

 

Das Wasser holte ich draussen vom Wassertank, heize es auf dem Gasherd.

Am Heilligen Abend lade ich meine zwei Nachbarn, jeder für sich im Dunkel zuhause sitzend, zu uns ein.

Mit dem bei Kerzenlicht zubereiteten Salat und den Hackfleischplätzchen haben wir doch noch eine Weihnachtsatmosphäre geschaffen.

Beim Cognac wurde uns wesentlich wärmer.

 

Jeden Morgen hoffte ich auf ein Wunder, doch nichts geschah.

Das Pferd will spazieren gehen, klopft mit dem Hufen an die Küchentüre, drückt den Kopf an das Fenster. Doch Gerold ist nicht da, liebe Chuchuna!

Über die Festtage weilt er bei seiner Familie in der Schweiz. So haben wir es gemeinsam beschlossen.

Alles steht unter Wasser, die Rutschgefahr ist gross.

Wir gehen nirgendwohin.

 

Ein blutiger medizinischer Fall bei Hera, einer unserer Hündinnen, sorgte für Zuwanderung vieler fremden Rüden. Insgesamt waren es sieben in der Nacht. An Schlaf war nicht zu denken. Das Treiben um das Haus herum war laut.

 

Der Berg schmutziger Kleider und Putztücher nimmt an seiner Grösse zu, die Kerzenreserve ab. Marani ist in der Dunkelheit verschwunden, praktisch den ganzen Tag. Nur bei einem Nachbar ist es hell. Er hat seinen Traktor angelassen und so gestellt, dass die Scheinwerfer durch das Fenster die Küche beleuchten. Clever.

Die benachbarte Stadt Samtredia glänzt in ihrer farbigen Weihnachtsbeleuchtung.

Niemand weiss, wann bei uns die Normalität zurückkehrt.

 

Eine Flucht in die Stadt? Einkäufe, einen Kaffee trinken etc.?

Die Läden sind überfüllt, die Strassen ebenso, die Georgier kaufen oft «auf Pump» ein.

Vor jedem grösseren Einkaufszentrum steht ein «Liberty Bank»-Minibus und die Bankangestellten bieten Sofortkredite an. Wie praktisch. Klar ist, für wen mehr.

Nach der Weihnachtszeit werden sich die Nutzer dieser fiesen Masche fragen, ob es wert war, die 21 % Zinsen auf sich zu nehmen. Nur der paar Geschenke wegen.

Durch diese Strategie verdienen viele geschickte Händler schnelles Geld und so manche Familien stürzen sich in Schulden rein.

 

Am vierten Tag, ziemlich genervt, lade ich die Speicherbatterie unseres Solarpanels in den Mercedes ein, nehme sämtliche Kleingeräte mit und fahre nach Samtredia zu meiner «Nagelfrau» im Beautysalon.

Nachdem wir die von mir mitgebrachte Prosecco-Flasche geschafft haben, waren meine Haare gewaschen und gestylt und sämtliche Batterien und der Computer geladen.

Meine Stimmung hebt sich langsam.

 

Am 26.12. Abend erstrahlte die Einrichtung unseres Hauses in ihrer Staub - und Asche-Pracht. Der Kamin lief all die Tage auf Hochtouren, die Hunde, ich bei Rücker aus dem Stall vom Holz oder Wasser holen - viel Schmutz blieb sitzen. Es ist eine Schlammschlacht im Erdgeschoss.

Langsam arbeitete ich mich durch, nur die nötigste Wäsche landet in der Waschmaschine.

Die Wasserpumpe scheint beschädigt zu sein. Reparatur ist erst im neuen georgischen Jahr (nach dem 14.1.2024) möglich.

 

Die Weihnachtsbescherung haben die Hunde, Hühner und Kater Mikesch bekommen.

Die Kühlschränke und der Inhalt des Gefrierfaches waren für sie eine willkommene Futter-Abwechslung. Hoffentlich dauert es nun länger, bis es wieder Klick in der Glühbirne macht und wir die Kerzen rausholen.

 

Solche Gründe machen Planung in Georgien nutzlos und ist nicht zu empfehlen.

 

Gesuch, Gutachten, Bewilligungen, Aufsicht? Wie läuft es in Georgien?

«Wozu einen Glatzkopf um den Kamm bitten»

Wir haben nicht gefragt, so hat auch niemand nein gesagt.

Niemandem interessiert, was wir da so «treiben».

 

Seit 16 Monaten bauen wir um, zu, an und aus. Ohne jegliche Behördengänge und ohne Papierkram. Das Haus gekauft, die Verträge für die Strom- und Gasversorgung unterschrieben, das war es. Wir nutzen die Zeit sinnvoller und so scheint alles viel schneller zu entstehen als in der Schweiz, Deutschland, Tschechien etc.

 

Die Bauvorschriften in den Städten und touristischen Hotspots sind aber mit neuen Auflagen strenger geworden.

Nicht so auf dem Land.

Wir bauen auf eigenem Grundstück, bis auf die vorgegebene Geschoss-Anzahl sind uns fast keine weiteren Einschränkungen bekannt.

Willst du einen Stall? Bau einen Stall! Ein Bungalow? Mach! Die Transport-Container sollten umplatziert und ausgebaut werden?  Die neuen Fundamentfüsse aus Beton stehen parat.

Alle lassen uns in Ruhe. Wenn wir die Behörden nicht gerade selbst holen.

 

Eine vier Zentimeter dicke, schwarz und gelb markierte Kunststoffleitung, die er beim Verlegen der Drainage entdeckte, erweckte Datos Aufmerksamkeit. Dato ist einer der Arbeiter und mit seiner Bärenkraft ein starker Helfer.

Mit einem Brecheisen herumstochernd, legte er den Kopf zur Seite und überlegte.

Dann ist es passiert.

 

Plötzlich hörte ich ein verdächtiges Geräusch und eindeutiger Geruch steigt hoch. «Gaaaaaaaaasssss!» ausatmete Dato leise entsetzt, mit der Spitze des Brecheisens immer noch in entstandenem Loch steckend.

Schnell zog ich Chvitscha – den funkenden Winkelschleifer – aus der Steckdose raus, sprach allgemeines Rauchverbot aus und rief die SOS-Stelle an. Nach sieben Minuten waren sie da. Zufällig irgendwo in Marani beschäftigt. Das Gas wurde abgestellt, auf der Socar-Zentrale in Abasha unterschrieb ich ein Protokoll. Jemand kommt, hiess es. Kein Problem!

 

Klare Ansage. Tags darauf ist der Jemand gekommen. Zum Gucken. Gestern konnte er nicht, da hatte er Geburtstag. Heute brummt ein mächtiger Kater in seinem Kopf. Sich zu beugen geht gar nicht. Morgen. Kein Problem.

Nicht jedoch ohne einen Arbeitsauftrag, den ich zu unterschrieben und vorauszuzahlen habe.

 

Wieder in Abasha unterschreibe ich den Auftrag. Ein SMS mit der Verarbeitungsgebühr kommt umgehend.  30 Lari kostete der Spass, etwa 10 Franken.

Bei Paybox angehalten, zahle ich unter unserer Kundennummer die Summe.

Am Tag danach kamen sie zu dritt.

Herr Jemand ersetzte das beschädigte Teil, der Zweite stopfte das Loch und

der dritte Beauftragte prüfte mit der Zigarette im Mund, ob die Leitung dicht ist.

Fertig. Kein Problem.

 

 

«Wenn Frauen gut wären, würde der liebe Gott eine genommen haben.»

Ein weiteres georgisches Sprichwort.

 

Gott nicht, aber Gerold tat es.

Also muss ich gut sein.

Manchmal.

 

Die Hand, die uns füttert und der Kopf für den Hof.  

So könnten wir unsere unausgesprochene Aufteilung auch nennen.

Die Versorgung der Tiere, den Einkauf, das Kochen erledigen wir situativ beide.

Gerold, ausserhalb seiner Arbeitstätigkeit, ist zum Einkäufer, Kocher, Pferdhüter geworden.

Das Material jegliche Grösse und Länge mit dem Diesel Gespann zu holen, tut er mit grösster Freude.

 

Der Wein ist ausschliesslich seine Sache. Seine Tischgarnitur, aus Baumstämmen hergestellt, ist ein Prachtstück, das die Weinlaube wunderbar ergänzt. (Diese hat Gerold gemeinsam mit unseren Gästen erschaffen.)

 

Von Anfang an bin ich in die Rolle der Bauherrin reingerutscht, der Erfahrungen und Sprachkenntnisse wegen.

Die Koordination der Arbeiten, der Lieferanten, die Materialauswahl, die Ausführung und die Bestimmung der Abläufe – ich habe ein grosses Feld eingenommen.

Gerolds Vertrauen in mein Tun ist beachtenswert.

Er selbst kann sich so besser seiner aufwendigen Arbeit widmen: Recherchieren, Lesen, Studieren, Schreiben etc.

 

So wirble ich seit dem frühen Morgen hin und her, fechte mit Aufträgen und Befehlen um mich herum. Mit dem Sternzeichen Widder und meinem Wesen ist diese Arbeit gut kompatibel. Nicht nur am Hof, auch in den Handwerksläden habe ich mich durchgesetzt – ich weiss, was ich brauche. Das will ich. Ich lasse nicht locker.

Ein Ventil beim Bärchen (Mercedes) ist stark beschädigt worden.

«Haben wir nicht! Geht nicht! Machen wir nicht!» Oh doch!

Das Reserverad mit dem extra angefertigten, handgemachten Ventil hängt wieder an der Hecktüre. Yes!

Wenn ich an seiner Garage vorbeifahre, winkt ein stolzer Irakli so heftig, dass ich schmunzeln muss.

 

Die Mechaniker unseres Vertrauens lassen mich meine Vermutung zur Fehlerursache erklären, ohne jegliche Bemerkungen - eine Frau, denken sie.

Auf dem Schlachtfeld der Baustelle und mit allen mit dieser Baustelle verbundenen Themen bin ich die einzige Frau zwischen den vielen Männern. Es hinterlässt nicht nur Schmutz und Farbspuren. Auch mein Umgang und meine Sprache sind rau geworden. Ich nehme kein Blatt mehr vor den Mund. Ungefiltert und prompt kommt meine Reaktion.

 

Das passiert mir auch gegenüber Gerold. Er kommt nicht gerade unter den Schredder, doch sein Gesichtsausdruck spiegelt genau das wider, was in ihm vorgeht.

 

Besonders «lieb» bin ich in den Momenten, wenn mir die Arbeit um die Ohren fliegt, die Georgier wieder mal «ihren Tag» haben, ich über eine neue Panne gestolpert bin und mein Mann wieder auf «seinem Planeten» sitzt.

So nenne ich die Phasen seiner berufsbedingten mentalen Abwesenheit.

 

Ich organisiere, führe aus, kontrolliere, kommuniziere, koche, wasche Wäsche und Geschirr, putze, kaufe ein, füttere, übersetze ….

 

In dieser Zeit, wenn sich Gerold in meinen Augen schon viel zu lange «unsichtbar» gemacht hat, gelingt es mir wenig, mir die Wichtigkeit seines Tuns vor Augen zu führen.

Seine Lernbereitschaft, sein Wissenshunger, detailliertes Nachforschen – das bewundere und schätze ich.

 

Nur wenn sich das Dokumentieren in die Länge zieht, mutiere ich zu einem Drachen, spucke Schwefel und Feuer, hole Gerold «runter» auf die Erde.

«Mit dem Pferd, mit dem Abfall. Raus! Brot holen, noch mehr Brot holen.»

Eine Zustimmung für Dinge, die sowieso sicher und in der Ausführung sind. Ich brauche einfach meinen Mann an meiner Seite.

Zwischendurch.

 

Diesen Herbst verschwand Gerold auf einem neuen Planeten.

Und der heisst Uran.

(Uran gehört wie Gold und Bitcoin zur Geldanlage und Vermögensschutz.)

Die Recherchen über den Rohstoff haben viel Zeit beansprucht.)

Diesmal war sein «ich bin da mal weg» so weit und heftig, dass ich mir nach unzähligen Tagen und Nächten eine Bemerkung nicht verklemmen konnte: «Pass bitte auf, dass du am Schluss nicht noch Uranieren anfängst!»

Das Resultat dieser anstrengenden Zeit bringt jedoch viel Freude.

Uns beiden.

 

So knirscht es in unserer Beziehungsgetriebe ab und zu, doch die Karre ziehen wir gemeinsam. Gerolds Worte, die er gerade ausgesprochen hat: «Wenn du nicht so am «Drücker» wärst, mir somit ständig auf den Wecker gehst, uns allen Tritte in Arsch verteilt hättest, wären wir nie so weit gekommen.»

Sichtbar berührt fühle ich mich dadurch bestätigt.

«Also - bin ich gut. Manchmal.»

 

«Erwirb neue Freunde, aber vergiss die Alten nicht»

Gerold und ich sind in Georgien angekommen.

Unsere Familien und Freunde unterstützen uns und viele von ihnen kamen zu uns.

Es waren herrliche Momente und Erlebnisse. Wir haben das Feuer für Georgien entfacht. Einige besuchten uns erneut. Mit Streichen, Mauern, Schweissen, Holzen etc. haben sich einige am Aufbau des Hofes beteiligt. Neue Projekte sind geschafft. Riesendank!!!

 

In der Umgebung sind wir wie bunte Vögel bekannt geworden. Nicht nur, dass Gerold unsere Hunde auf dem «Dino»- Dieselgespann ausführt oder auf georgische Art das Baumaterial hochgestapelt transportiert. Mit dem Pferd Spazieren und Einkaufen geht.

Auch über die Blondine, die sich mit dem Jeep zwischen den Markständen durchzwingt und Baumaterial einkauft, weiss man Bescheid.

 

Dort, wo man uns findet, sowieso.

Eines Tages, Mitte Dezember standen fünf Wohn-Lieferwagen vor dem Tor und wir wurden von einer Gruppe junger Leute besucht.

Einer kennt einen anderen. Der kennt wieder eine und sie hat das Paar, das bei uns im Frühling war, beim Klettern getroffen… Solche Fäden der Bekanntschaften ziehen sich durch Georgien durch und so lernen wir neue, interessante Leute kennen.

Dieses Mal ist Frankreich, Frankokanada, Spanien, Deutschland vertreten. Eine 8-köpfige, arbeitstüchtige Gruppe sorgte in zwei Tagen für viel erledigte Arbeit, kulinarische Überraschungen, Austausch und feuchte Augen beim Abschied.

Dieses Sprachen-Babylon war einmalig. Ich selbst weiss manchmal nicht, wie mir der Schnabel gewachsen ist.

 

Seit ihrer Abfahrt ist das Logo unseres «HofMarani» in der Nacht mit einer Solarlampe beleuchtet.

Die Schrift auf dem Baum hat Paul, einer unserer «Gastarbeiter», wie wir sie nennen, aus altem Werkzeug hergestellt.

Der türkisfarbene, fahruntüchtige Seitenwagen Isch3 Jupiter, Baujahr 1975, haben wir nebendran gestellt und bepflanzt.

So ist er zu dem einzigen mir bekannten Blumentopf mit Fahrzeugausweis geworden. 😊 

 

Auch die georgischen Freundschaften wachsen, unsere Orte, die uns wichtig sind, haben wir gefunden.

Gerolds geliebte Marktstände mit Verkäufern, die ihn als Bruder betrachten. Die Brot-, Milch-, Käse-Frauen, die lachen, wenn wir die Ladenschwelle betreten. Wöchentlich werden wir von einem Physiotherapeuten massiert. Die Nägel werden bei Emi, die Haare bei Gio in Schuss gehalten.

 

Und ich habe ihn. Ich habe meinen Zahnarzt gefunden!

Es wäre eigentlich nichts Besonderes.

Nur: Die Praxis mit nassem Slip zu verlassen?

Diese Geschichte war so skurril, die will ich euch nicht vorenthalten.

 

«Er ist neu in Samtredia, hier hast du die Nummer, ruf ihn an.» sagte «Nagelfrau» Emi, und ich tat es.

Nicht, dass mich Schmerzen geplagt hätten. Geplagt hat mich der Plaque, respektive die Zahnzwischenräume. In meinem Fall ähnelten sie schon einem Steinbruch und das Material sollte endlich rausgeschafft werden.

 

Wir vereinbarten ein Treffen gleich am Folgetag.

Ein schlanker Herr in guten Jahren, mit strahlendem Glanz in seinen Haaren, sympathisch in jedem Fall, begrüsste mich.

Sein Russisch half mir, die anfängliche Unsicherheit wegzulegen. Eine Exkursion durch seine brandneue Praxis war ein Muss. Sicht- und spürbar stolz ist er, Herr Silberkopf.

Mit Recht. Die Räume sind westlich eingerichtet, die Rezeption repräsentativ.

Nur die stomatologischen Geräte – ihre Konstruktion erinnert mich an etwas, das ich schonmal gesehen habe. Nur, was ist es? Egal.

 

Er, ein gebürtiger Georgier, ist nach Jahren mit seiner Familie aus Moskau zurückgekehrt.

Warum ich aus der Schweiz weggezogen bin? Diese Frage blieb unbeantwortet. Ich fragte auch nicht, warum er da ist und nicht dort.

Beide Antworte waren sowieso irgendwie klar.

 

Danach bekam ich eine Tasse Kaffee und einen neuen Termin für die nächste Woche.

Der liebe Herr Stomatologe leidet unter einer starken Grippe und ist meinetwegen vom Bett aufgestanden und gekommen.

Ich schreibe es seiner Neugier zu.

Wie gesagt. Wir, die bunten Vögel.

 

Am Tag X setze ich mich brav in den neuen Sessel.

Es schaukelte weich, und die ganze Konstruktion mit ihm.

Alles strahlt und glänzt. Bin ich die allererste Kundin hier?

 

Herr Silberkopf, seine Frau und Sohn, legen mir, nach langem Suchen, ein Plastik-Lätzchen um den Hals. Junior hält die Haare hoch, die Frau bindet die Schnürchen und der Stomatologe zupft das Plastik zurecht.

Irgendwie sind wir alle nervös.

 

Nach dem ein kleines Döschen mit Reinigungspulver auf Silberkopfs dunkelblauen Cordhosen landete und aufsprang, versuchte ich, solange es noch geht, die Anspannung mit Smalltalk zu entschärfen.

«Die Einrichtung habt ihr aus Russland mitgenommen?»

Mit den Augen zwinkernd antwortete er: «Nein, nein. Neu, von unseren lieben Chinesen gekauft.»

Aha! Ich habe es!

Die ganzen Gerätschaften erinnern mich an das Playmobil-Spielzeug meiner Enkelin Eliška!

The Game can begin.

Nachdem ich auf Silberkopfs Frage, ob ich auf Anästhetikum allergisch reagiere, geantwortet habe: «Bis heute nicht», war das Eis gebrochen. Wir lachten beide und er stach zu.

Danach legte er sich ins Zeug. Wortwörtlich. Auf mich.

 

Sobald er das Tablar mit allen Geräten um nötige 90 Grad zu sich schwankte über mich beugte, gab unter seinem Druck an meinen Kiefer der Sessel nach und ich entfernte mich mit dem Kopfteil weit nach unten.

Gleichzeitig machte es plum, plum, plum und sämtliche zu kurze Stromkabel der eingesetzten Geräte fliegen aus der Steckdose raus.

Es wurde still.

 

«Modi Nana, midi!» («Komm Nana, schnell!)» ruft der arme Mann nach seiner Frau.

Frau Silberkopf sagte auf Georgisch irgendetwas. Dank ihr ertönt die kleine Reinigungsbürste bald wieder.

Den Kaffee gibt es aufgrund fehlender Stromleiste heute nicht.

Aber wir Frauen wissen uns zu helfen.

 

Zielstrebig kämpfte sich Herr Stomatologe aus Moskau durch mein Gebiss hindurch.

Ich spüre nichts, nur fühle ich mich, wie einer der Versuchshunde von I. P. Pavlov.

Mir musste aber niemand ein Licht einschalten.

Oder ein Signal, dass das Futter kommt.

Ich schaffte es auch ohne Beleuchtung.

Sabbern, wie ein Bernardin.

 

Ach, da war noch was, stellte Herr Silberkopf die kleine Polierbürste diesmal bewusst ab.

Da hängt doch noch dieser Absaugschlauch!

In dem Moment, in dem er diesen zum Einsatz brachte, spritzte das Wasser unkontrolliert in alle Richtungen.

Ich wusste voraus, was kommt:

«Modi Nana, midi!»

Die neuen Schränkchen haben viele Schubladen. Und ein «Perechodnik», ein Verbindungsstück, sucht sich in unerforschten Gebieten auf die Schnelle schlecht.

 

In diesem Moment steigt die Panik in meinem Kopf auf. Ich kicherte innerlich. «Nur nicht zu Lachen anfangen, Regina!

Nein, das tust du nicht, garantiert nicht.» Versuchte ich mich selbst unter Kontrolle zu bringen. „Beherrsche dich!»

Meine nicht betäubte Backe zuckte schon verdächtig.

 

Uff, das Stückchen ist gefunden.

Den Kopfteil vom Sessel stützt ein Knie des Assistenten – Silberkopf Junior. Die Frau hält die gefundene «Kurve» des Absaugschlauches zusammen. Weiter geht es.

 

Mama! Deda! Ertönt es an der Rezeption.

Mein tschechischer Kopf übersetzt sofort: Mami, Opa!

Opa wäre klar, die Frau und der junge Mann? He?

Ein wenig irritiert bin ich schon.

Aber nein, Georgier müssen wieder etwas extra haben.

Mama ist hier der Vater und Opa ist die Mama. Punkt.

Wie bitte sollten wir die Sprache lernen, wenn sie solchen Puff einrichten?

Ihre Mama stützt mein Kopf, dachte ich. Aber nein. Nochmal anders.

Der Silberkopfsohn ist ihr «dzma» – ihr um sicher 25 Jahre älterer Bruder.

 

Die von der Tanzschule kommenden Kinder springen in die Ordination rein und schauen zu.

Der Mama bewegte sich in ihre Richtung, der «Perechodnik» löste sich und das Wasser spritzte in mein Gesicht, der Rest lief über das Plastik-Lätzchen zielsicher in meinen Schoss.

Da konnte ich nicht mehr.

Bei der Vorstellung, wie mein Gesicht aussehen mag, meine Wimperntusche verschmiert ist, was für ein Anblick sich da bietet, gurgelte ich die Pulvermischung in einem Lachanfall hoch und schluckte das ganze wieder runter.

Na bravo!

 

Nachdem wir uns alle wieder beruhigt hatten, bekam ich einen Spiegel und durfte das Werk betrachten. Ich traute mir nur, in meinen Mund zu schauen.

Was für ein Unterschied! Ein Macher seid ihr Herr Silberkopf! Unter diesen Umständen! Meine Zähne lassen sich wieder zeigen.

Zufrieden, jedoch wie beschwipst, stehe ich vor dem Rezeptionstresen, die Jeansjacke vor den Schritt haltend.

 

«Na? Unsere Ausländerin? Alles ok? Sie müssen zu Ihrem Zahnfleisch lieb sein, klar?»

Minze, Kamille, oder Eichenrinde braucht es. «Zum Knabbern?» fragte ich im Ernst.

Entsetzt schaut mich Herr Stomatologe an.

«Ja, was? Schaut nicht so! Ihr spritzt mir wer weiss was und dann wundert euch, dass ich ein «Hoch» habe!»

 

Wir verabschiedeten uns lachend, seine Frau und die zwei Kleinen winken noch.

Das dritte Kind, Stomatologe Junior ist verschwunden.

Und ich?

Ich freue mich auf die nächste Sitzung bei Herrn Silberkopf.

In sechs Monaten wird er seine wilde Praxis bestimmt zähmen können.

All-inklusive-Behandlung, Gesicht sandgestrahlt, tiefengereinigt und pulverbeschichtet, der Rausch und neues Material für meine Bloggeschichte waren die 40 Franken wert.

Und da schweige ich noch über das Gefühl in meinem Slip. 😉

 

In Georgien läuft vieles anders und so war viel los auf dem HofMarani.

Was sich so ergeben hat, darüber werde ich im zweiten Teil berichten.

Jetzt muss ich aufhören.

A)    ich habe sowieso schon zu viel geschrieben

B)    aus dem Hühnerstall kommen verdächtige Geräusche…


Was passiert ist? Nächstes Mal… 



 


1 Comment


ttbenni+1
Jul 15, 2024

test kommentar

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