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AutorenbildGerold

Erlebnisse die jede Fantasie sprengen

Mit Geduld und Hartnäckigkeit Hindernisse überwinden.

Der Anfang dieser Geschichte liegt weit zurück. Weihnachten 2017 ist der Beginn des 4x4-Autos in Afrika. Startpunkt war Basel und via Container ging es damals nach Durban in Südafrika. Von da direkt hoch nach Nairobi mit ein paar Abstechern links und rechts. Nairobi als gewählter Standort bot sich wegen der Direktflüge nach Zürich an. In Afrika gibt es in fast allen Ländern «Auto-Kindergärten». Das sind Firmen, die Fahrzeuge aller Art hüten und für kleines Geld ein komplettes Angebot bereithalten: gedeckte Parkplätze, Schutz vor Diebstahl, monatliche Bewegung des Fahrzeuges, Service, Reparaturen, Zollthemen und anderes. Die letzten zwei Jahre war der «Mercedes G Entdecker» in Arusha, Tansania stationiert. Ein spezielles Auto, gebaut von Afrika-Süchtigen für Buschtouren. Insgesamt gibt es 15 Stück dieser Art. Ausgestattet sind sie jeweils mit grossen Wasser- und Dieselreservetanks, zwei Kühlschränken, Kompressoren für den Reifendruck auf beiden Seiten, Seilwinde, Dachzelt und mehr. Die Armeeausführung des Fahrwerkes ist gerade gut genug. Im Bereich der Elektronik wurde kräftig abgespeckt. Weniger ist mehr. Am 9. Februar 2023 wurde das Auto in Daressalam in einen Container gestellt und aufs Schiff nach Istanbul verladen. Covid und Kriege verhinderten bisher die eigene Fahrt auf dem Landweg nach Hause, nach Marani, Georgien. Da die Zukunft ebenfalls wenig rosig aussieht, entschieden wir, das Auto via Container zu uns zu nehmen. Wer Georgien bereist, weiss wieso: abseits der Städte und Dörfer ist 4x4 Pflicht. Im Normallfall dauert die Entgegennahme eines Autos, welches per Container transportiert wurde, weltweit 1-2 Tage. Dass ich 10 Tage in Istanbul festsitze, war bei meiner Ankunft am Sonntagabend noch ein Geheimnis und weit weg. In diesem Bericht ist die Kurzform des Abholens, der Heimfahrt (Istanbul – Marani, 1’785km) und der Registrierung in Georgien beschrieben. Egal wieviel Fantasie du als Leser produzierst: die Realität schlägt alles Vorstellbare. Als Betroffener kämpfte ich mit dem Papiertiger, mit der Zeit, mit meinen Nerven und mit regelmässig wiederkehrender Hilflosigkeit durch das Ausgeliefertsein. Der bereits gebuchte Flug in die Schweiz musste um eine Woche verschoben werden. Das Unheil begann mit den Frachtpapieren. Das Feld der Empfängeradresse wurde mit einer inexistenten Firma in Istanbul versehen. MSC, die die Fracht ausführten, teilten mir – noch in Georgien weilend – mit, dass das Auto so nicht ausgeliefert werden kann und zurück an den Absender geht! Um den Prozess des Entladens in die Gänge zu bringen, sind Originalpapiere mit einem korrekten Empfänger die Voraussetzung. Ich hätte zwei Tage Zeit. Gleichzeitig musste ich jemanden organisieren, der die Formalitäten zum Auslösen des Autos übernahm. Was sich als schwierig herausstellte. Denn welcher Handwerker flickt gerne den Murks eines Anderen? Für die angesprochenen Menschen war es hilfreich, sich hinter der türkischen Sprache zu verstecken, denn ich traf kaum auf englisch­sprechende Menschen im Hafen. Auch das Personal der involvierten Firmen, bei denen ich vorsprach, war kein Deut besser. Der falsche Name in den Transportpapieren machte das «Projekt Auto abholen» zum Spiessrutenlauf. Keiner will sich das antun. Probleme und Schwierigkeiten sind programmiert. Eigentlich erstaunlich bei Firmen, die für internationale Transporte so viele Mitarbeiter beschäftigen, die kein Englisch sprechen. Die Zentralen von MSC, Schenker, Kühne und Nagel und anderen in Istanbul wirken wie Hochsicherheitsgefängnisse. Beim Empfang, das heisst bei den Schaltern, ist kein Durchkommen. Mit viel Fantasie und Schweizerpass hatte der Pförtner bei Kühne und Nagel ein Einsehen. Die türkische Sprache ist eine Schwierigkeit. Da musste ich durch.

Das angerichtete Durcheinander wollte niemand übernehmen und auflösen. Zu viele Probleme. Und so war die Sachlage am Hafen mit meinem Container und dem Auto gelinde gesagt verfahren. Der persönliche Besuch bei Kühne und Nagel und Schenker am Montagmorgen war vergebens. MSC hatte endlich am Dienstag ein Einsehen und empfahl mir eine Firma mit Ansprechpartner. Die Firma wollte ihren Namen nicht auf den Frachtpapieren sehen und so kam ich auf die Idee, mich selbst einzusetzen. So nahm das Unheil seinen Lauf und ich durfte zurück an den Start. Alles, was ich vorher unternommen hatte, war nutzlos. Mein Name auf den Frachtpapiere als Empfänger war die neue Herausforderung. Der Container musste neu zwischengelagert werden, an dem Ort, an dem die Autos für Privatpersonen ausgehändigt wurden. Jetzt war es keine Firma mehr. Die Woche war belegt mit Papiere organisieren, Emails und WhatsApp-Nachrichten beantworten, um die drei involvierten Parteien möglichst zeitnah zu bedienen. Daher war mein Aufenthalt in Istanbul von Montag bis Freitag auf einige Restaurants und Cafés reduziert. Die änderten, je nach dem wo ich hinbestellt oder was zu tun ich beauftragt wurde. Gleichzeitig erfuhr ich am eigenen Leib, wie die Touristen aufs Kreuz gelegt werden. In Restaurants sind drei Ausführungen von Menükarten die Regel. Die mit der korrekten Angabe der Preise ist eher selten. Viel lieber wird die Karte ohne Preisangaben oder die Karte mit den krass übersetzten Preisen eingesetzt. Wer nicht Bescheid weiss oder nicht richtig schnell lernt, wird ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Von Sonntagabend bis Freitagmorgen erlebte ich eine Achterbahn der Gefühle. Hoffnung, Frust, Freude, Erleichterung wechselten täglich. Und immer wieder kamen neue Anforderungen. Zum Beispiel eine notariell beglaubigte Unterschrift wurde am Freitag um 16:00 Uhr eingefordert für die Übernahme am Montag. Das erledigte ich am Montag persönlich vor Ort via Stafettenlauf im Containerhafen. An den vier Posten jeweils etwas unterschreiben, Pass zeigen und weiter. So erübrigte sich die beglaubigte Vollmacht. Wie kommt jetzt zeitnah ein Originalvertrag nach Istanbul von Daressalam? Was kostet der Spass zusätzlich? Wie lange dauert das? Alle lassen mich mein Heimkino auskosten. Nach drei Tagen erläutern sie mir, dass diese spezielle Form der Übermittlung im Schiffsverkehr gang und gäbe ist und nichts kostet. Super! Wieso sagt mir das niemand? Die Strecken zwischen den drei Büros – mit dem Taxi absolviert – könnten nicht weiter voneinander entfernt sein, inkl. Containerhafen. Das Gute: ich kenne den Verkehr von Istanbul und einige Abkürzungen nun bestens. Inklusive des Tricks, rückwärts aus einer Autobahnauffahrt rauszufahren, weil vorne die fünfspurige Autobahn verstopft ist. Gleichzeitig bekam ich eine Ahnung von den korrekten Preisen. Am Freitagabend stieg ich vier Mal in ein anderes Taxi um, bis ich einen annähernd richtigen Preis erhielt. Von der Innenstadt nähe Basar zum Hotel waren rund 15 bis 18 Franken fällig. Die mir angebotenen Taxipreise schwankten von 20 bis 80 Franken, was mich wütend werden liess. Wieso sind korrekte Preise für Touristen in Istanbul so schwierig? Übrigens: neben der Taxigebühr nach Taxameter wird öfters eine Autobahn-Benutzungsgebühr einkassiert. Das ist dann sozusagen das Benzin- und Trinkgeld für den Fahrer. Beim fünften Taxi dann korrekte Preise. Ein Polizist half mir beim Einsteigen und rief dem Fahrer zu: «Beeil dich und nimm diesen alten Mann mit, bevor etwas passiert!» So hat der Fahrer mir das mit Google übersetzt. Willkommen Gerold, du bist angekommen bei den Rentnern. Nichts, aber auch gar nichts blieb mir erspart! Am Donnerstagnachmittag, etwa um 16:00 Uhr ging ich das erste Mal auf Erkundungstour in Istanbul. In mein Paradies, den Gewürzmarkt in einer uralten Markthalle, mit fantastischen Gerüchen und einem unglaublichen Farbenspiel. Die Preise sind hoch und auf Märkten kauft der Profi grundsätzlich keine Gewürze. Gewürze sollten vor Licht und Luft geschützt werden. Das ist im Offenverkauf unmöglich. Unverständlich, dass Gewürze in transparenten Behältern derart populär sind. Einheimische würden dort nie einkaufen. Im Orient ist das Feilschen Tradition. Ich ging innert drei Tagen drei Mal ins gleiche Geschäft. Bei jedem Besuch erhöhte ich die Bestellung leicht, fragte nach seinem Preis, gab meinen bekannt und ging wieder. Erst als der Preis knapp 40 Prozent tiefer lag, kaufte ich. Unter der Bedingung, dass ich mich hinten im Lager bedienen konnte und die Gewürze vakuumiert würden. Mit dem Porzellan ging ich genau gleich vor. Wer in Istanbul etwas kaufen will, sollte sich diese Mühe machen. Es lohnt sich. Wenn ich gewusst hätte, dass mein Auto erst am Mittwochabend (nach 10 Tagen) 23:30 Uhr vor dem Hotel steht, hätte ich zwei zusätzliche Tage eingesetzt für den Gewürz- und Porzellankauf. Die Zollabfertigung hat weitere drei Tage beansprucht. Deshalb musste mein Flug in die Schweiz vom 21.3.2023 verschoben werden. Als ich endlich das Auto abholen konnte war es bereits Mittwoch, der 22.03.23. Sie bestellten mich um 11:00 Uhr in den Containerhafen und ich durfte dann warten bis 14:30 Uhr. Meine fantasievollen Gedanken und die freudige Aufregung waren von kurzer Dauer. Zuerst bei den Posten, wo es eine beglaubigte Unterschrift des Notars gebraucht hätte, wurden die Dokumente x-fach abgestempelt. Danach habe ich erstmals das Auto gesehen. Kurz nach der Freude etwas Frust. Mein erster Startversuch war unmöglich, Batterien leer. Alle hatten sich ausgetobt und schon mal geübt. Die zwei Batterien waren leer und die Hinterreifen platt. Das würde zum Schutz des Autos gemacht, dass, wenn das Containerschiff krängt, die Seiten nicht an den Containerwänden aufprallen. Dabei ist das Fahrzeug mit Spannsets am Boden festgebunden. Da bewegt sich gar nichts. Doch ohne Batterie kein Kompressor. Und ohne Kompressor keine Luft für die Reifen. Das Auto hat auf beiden Seiten einen Kompressor, um die Reifen aufzupumpen. Das ist wichtig, wenn aus irgendwelchen Gründen der Reifendruck abgelassen wird. Vor allem bei Sand- und Schlammpassagen, wenn mehr Auflagefläche und Traktion gefragt sind, ist der Kompressor anschliessend extrem hilfreich. Das Drehbuch wurde immer verrückter. Kaum war das Auto auf einen Anhänger geladen und am Ausgang aufgereiht, stürzte das gesamte IT-System ab. Nix ging mehr. Keiner raus und keiner rein. Während 2 Stunden hiess es einmal mehr warten. Was mich eigenartigerweise in keinster Weise mehr ausflippen liess. Es war wie es war.

Was mich hingegen in Rage brachte ist, dass der Fahrer des Abschleppwagens mich in eine Garage brachte, in der niemand mehr arbeitete. Als ob es nur darum ging, etwas Kulisse zu bauen, war das Tor auf und viel Licht an. Jedoch keiner da, der sich zu erkennen gab, hier zu arbeiten. Wie normal im Osten lümmelten ein paar Jungs rum. Wo Motoren, da sind auch Jungs anzutreffen. In Rage brachten mich die geforderten 1‘000 Türkische Lira, um mich in eine offene Garage zu bringen. Gerold die Milchkuh. Da kann sich jeder bedienen. Egal, ich brauchte eine Lösung und wollte am nächsten Morgen endlich losfahren. Also musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beissen.

Wir fuhren noch ca. 1.5 Stunden in Istanbul herum. Sozusagen Stadtbesichtigung bei Nacht. Gleichzeitig telefonierte der Fahrer wie ein Wilder eine Garage nach der anderen ab. Dann fuhr er irgendwann rechts ran. Ich stieg aus und beschaffte mir Essen, Trinken und Geld (Bankomat). In der Zwischenzeit war es 21:00 Uhr geworden. Langsam machte ich mir Sorgen. Doch das war unbegründet. Wir fuhren in eine Werkstatt für Auto-Elektronik. Dort wurde, noch auf dem Anhänger, der Mercedes unter die Lupe genommen, bevor er vom Wagen genommen wurde. Dann mit dem Besitzer rein in einen Laden voller Batterien. Für die zwei Batterien habe ich 300 Franken bezahlt. Viel zu viel, klar. Doch ich wollte nur noch ins Hotel und schlafen gehen. Ich war derart müde und weichgekocht, dass ich es einfach zuliess. Zurück in die Garage, Batterien einbauen und Reifen aufpumpen. Natürlich war das Ventil kaputt. Also Reserverad runter. Dass sie das am nächsten Tag flicken könnten war mir sowas von egal, denn ich war erst kurz vor Mitternacht im Hotel. Alles packen und schlafen gehen . Nach drei Stunden Schlaf war Tagwache und um 4.30 Uhr fuhr ich los. Istanbul ist verkehrstechnisch auch morgens – allein – schwierig. Die Beschilderung ist mies und wenn sich das Dachzelt selbständig macht, verfranzt du dich schneller, als du auf Drei zählen kannst. Willst ja nicht im Weg stehen. Egal, für solche Fälle hat man Werkzeuge und vor allem Spannsets an Bord. Leiter auspacken, auf den Seiten runterziehen und feststellen, dass die Verschlüsse derart spröde sind, dass sie gebrochen sind. Auf die Motorhaube gestiegen und Spannset rundherum gelegt, anziehen und fertig. Tankstellen haben dafür 24/7/365 offen, was vieles erleichtert in der Früh. Nur einen Kaffee, der diesen Namen verdient, gab es erst um 8:30 Uhr. Die Tour war klar: vom Hotel Magia (Empfehlenswert! 40 – 50 Franken, je nach Dauer des Aufenthaltes) ging es durch Istanbul nach Gebze, Izmit, Düzce runter an die Küste rechts an Akcakoca vorbei bis nach Zonguldak. Das waren nur knapp 420 Kilometer, doch um 15:00 Uhr bezog ich ein Hotel und schlief bis 20:00 Uhr. Kurzes Telefon mit Regina und ein kühles Bier später war ich wieder am Schlafen bis 4:00 Uhr. Der zweite Tag dauerte bedeutend länger. Der Start war ebenso 4:30 Uhr mit zwei integrierten Umwegen von ca. 120 Kilometern. Den 100‘000. Kilometer auf dem Tacho feierte ich auf einem Dorfplatz. Zur Feier wurde angehalten und an einem Tisch gegessen. Was muss, dass muss. Die Gesamtstrecke bis um 21:15 Uhr waren etwa 950 km bis kurz nach Eynesil. Die Bar hatte zu, aber im Laden daneben kaufte ich mir zum Abendessen etwas Käse, Birnen und Brot. Kein Alkohol im Angebot, dafür umso mehr süsse Wasser in allen Aromen. Am nächsten Tag wieder um 4:30 Uhr gestartet und bis nach Marani etwa 480 km gefahren. Was hat mir gefallen während dieser Fahrt und was habe ich verpasst? Die Strecke von Istanbul nach Gebze und Izmit hat mir speziell gefallen. Die Stadt selbst war um 4:30 Uhr bis etwa 7:00 Uhr wie ausgestorben. Die leeren Strassen und das Tempo behalten dich lange in Istanbul, einfach mit weniger Verkehr und viel mehr Lichteffekten in allen Farben. Der Abschnitt von Istanbul dem Meer entlang bis nach Gebze und weiter bis Izmit ist aussergewöhnlich schön. Dazu kommen die Nebelschwaden, die über das Meer und die Häuser waberten. Dann kam ein Tal voller Knoblauch. Überall verkauften sie an den Strassen Knoblauch. Das beginnt in Karabük und endet kurz vor Sinop und Gerze. Wer immer diesen Teil bereist, Amasra und Sinop sollte man sich unbedingt anschauen. Sinop ist eine Piratenstadt wie aus dem Bilderbuch und Amasra ist landschaftlich aussergewöhnlich gelegen. Das Kloster Sumela, das 50 Kilometer ausserhalb von Trabzon liegt, musste ich aussen vor lassen. Von Sinop bis Yakakent ist für mich die verrückteste, das heisst spektakulärste Autobahn, die ich je mit Rädern befahren konnte. Die Strasse ist eingeklemmt zwischen Felsen und Meer. Fast keine Häuser und nur wenige Ausstellplätze. Vom Ufer etwa 500 m entfernt sind einige Muschel- und Fischfarmen zu sehen. Es war ein Genuss pur, dieses Stück zu befahren, dazu bei so wenig Verkehr. Sobald ich in die Nähe von grösseren Städten kam, nahm der Verkehr drastisch zu. Erst an der Grenze beim georgischen Zoll ging der Zauber der Schwierigkeiten wieder los. Die Freude währte kurz als ich die Häuser mit den Wechselstuben und Restaurants von Sarpi sah. Der georgische Zöllner meinte, ich müsste zurück in die Türkei. Sie könnten mich so nicht nach Georgien lassen. Dabei hatte ich das «Carnet de Passage» dabei. Dieses Dokument gibt dem Land, in dem ich mich aufhalte – sofern ich das Auto verkaufe oder nicht mehr ausführe – das Recht, das Guthaben auf dem zu diesem Zwecke eingerichteten Konto zu beziehen. Jetzt meinte der Zöllner hier, dass sie sowas noch nie gesehen hätten und sie den Fahrzeugausweis benötigen.

Der Fahrzeugausweis ging nach der Übergabe des Autos zwischen Daressalam und Istanbul verloren. Als das losging, geriet ich auf eine Achterbahnfahrt der Emotionen und Handlung. Ich konnte mich selbst kaum mehr spüren. Voller Hektik habe ich Regina angerufen und die Schwierigkeit geschildert. Erst mit dem Gespräch konnte ich mich beruhigen und klare Gedanken fassen. Funktionieren war plötzlich wieder möglich. Da war doch was in Afrika. Genau! Innerhalb von 700 Kilometern wurde ich 15 mal an einem Tag kontrolliert und mit Bussen belegt. Die Hintergründe waren von logisch bis ziemlich abstrus: Schmutziges Auto – mit Licht fahren – zwei Autos gleichzeitig überholen – Grillrost auf dem Reserverad und anderes mehr. Am zweiten Tag sagte ich mir «keine Bussen mehr in Afrika.» Genau, sobald sie mich anhielten, stieg ich aus, griff mir den Campingstuhl und ein kühles Coca-Cola. Dann erzählte ich, dass ich keine Busse bezahlen kann. Entweder würde ich Bestechung begehen oder mich der Staatsgewalt widersetzen. Wie könne ich glauben, dass sie diejenigen sind, die sie vorgeben zu sein? Nach etwa einer Stunden schickten sie mich ohne Busse weg. Beim nächsten Stopp wiederholte ich das Spiel. Alles in allem zwei Stunden Aufwand, um einen ganzen Tag Ruhe zu haben vor gierigen Polizisten. Denn ich wurde nie mehr angehalten, obwohl ich an weiteren acht Strassensperren vorbeifuhr. Das Nichtstun und Warten zahlte sich aus. Genau diese Erinnerung kam hoch. Ohne nachzudenken griff ich mir in aller Ruhe den Campingstuhl und etwas Kühles zu trinken. Ich setzte mich vis-a-vis des georgischen Zollbeamten hin und entschied, mich nicht mehr zu bewegen und keine Fragen zu stellen. Einfach warten. Es aushalten. Wer hat vorher die Nase voll, ich oder der Zoll? Mein Fahrzeug stand genau gegenüber dem Schalter, an dem jeder Autofahrer seine Papiere abstempeln lassen muss. So kam es, dass mich immer wieder der eine oder andere fragte, wieso ich hier warte? Das half enorm, den Zöllner mürbe zu machen, so jedenfalls war mein Eindruck. Denn nach einer Dreiviertelstunde war das Warten zu Ende und das Angebot auf dem Tisch, mit georgischer Autonummer nach Georgien einreisen zu können. Sofern ich das immer noch wolle. Sofort nach Erhalt der Papiere eingestiegen und schnellstens rüber nach Georgien. Bevor die sich das anders überlegen. Grosse Erleichterung bei mir. Noch Fragen zu meinem Gepäck." Was ist in den Kisten?" "Die Camping Ausrüstung. Geschirr und so." Dabei sind es 8 Kilogramm Gewürze, Kaffee und 3 Kisten Porzellan im Auto. Alles klar. Durchwinken und ab nach Hause. Doch zuvor geht es in Batumi auf den Fischmarkt. Das ist ein Pflichtbesuch. Zur Feier des Tages gönnte ich mir meinen ersten «privaten» Steinbutt (2 kg) auf dem Fischmarkt. Beruflich habe ich den früher öfters auf Fischmärkten gekauft, doch der Rolls Royce der Edelfische kam privat nie auf den Tisch. Zuviel davon gemacht. Heute ist alles anders nach dieser Autozollgeschichte. Zum Steinbutt gesellten sich 20 Krevetten und 2 x 800 Gramm schwere Makrelen. Die Makrelen liebe ich auf dem Grill, ein sensationeller Fisch. Das Einlösen der georgischen Nummernschilder am Montag dauerte von 10:30 Uhr bis 17:30 Uhr. Am Ende reichte der am gleichen Tag erstellte Kaufvertrag mit dem «Carnet de Passage». Doch sie spielten in Perfektion «Ich Beamter – Du warten – Du arbeiten.» Dass ich kurz vor Ende die Nerven verlor, mit den Fäusten an die Türe schlug und auf Schweizerdeutsch aufgebracht und laut alle Zeichen fluchte, war die Krönung. Es half. Die Beamten arbeiteten eine Stunde länger. Drei Schalter waren offen: Kasse, Nummernschilder und Ausgabe des Ausweises. Ich der einzige Kunde. Denn normalerweise wäre um 16:30 Uhr Schluss. Dass ich in Kürze wieder vor Ort bin, habe ich ihnen verschwiegen. Ein Georgier verkaufte mir für 200 Franken einen uralten Seitenwagen: Jupiter. Der Beiwagen heisst Sputnik. Das letzte Mal wurde der vor 12 Jahren gefahren. Der Besitzer ist verstorben und der Ausweis noch von Hand geschrieben.



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